Ermittlungsort der Lärmbelastung
Gesetzliche Grundlagen
Die Lärmgrenzwerte sind gemäss Art. 39 LSV in der Mitte der offenen Fenster einzuhalten.
Art. 39 Ort der Ermittlung
¹ Bei Gebäuden werden die Lärmimmissionen in der Mitte der offenen Fenster lärmempfindlicher Räume ermittelt. Fluglärmimmissionen können auch in der Nähe der Gebäude ermittelt werden.
Offenes Fenster
Beim Wohnen heisst „im offenen Fenster ermitteln“ auch mit offenem Fenster leben. Art. 39 LSV und der Anspruch auf einen Bezug zum Aussenraum garantieren in Kombination die Qualität einer Wohnlage bezüglich Lärmbelastung.
Ausschlaggebend ist, dass das offene Fenster eine Verbindung zum Aussenraum schafft und dafür grundsätzlich ins Freie führen muss. Ein Fenster führt dann ins Freie, wenn der Weg ins Freie weder durch Bauwerke oder Erdmasse eingeschränkt wird. Ein Blick ins Freie durch eine Glaswand genügt nicht, damit sich dieses Gefühl einstellt.
Architektonisch bedeutet dies: Die Fensteröffnung muss auf der ganzen Strecke vom Fensterrahmen bis zum Freien mindestens die gleichen Ausmasse besitzen.
- Bei Fassadenfenstern muss die Sicht ins Freie auf Gesichtshöhe (ca. 1.5 m) und horizontal gewährleistet sein. Diese Höhe entspricht auch der Messhöhe im Freien nach Art. 39 LSV.
- Die Lüftungswege dürfen keine anderen Wohneinheiten beeinträchtigen (z. B. durch Gerüche oder Geräusche).
- Fenster müssen einen angemessenen Luftaustausch gewährleisten. Sie müssen mindestens 50 cm breit und 1 m hoch sein. Dies garantiert eine zur Lüftung notwendige vertikale Temperaturdifferenz.
- Lüftungsfenster müssen als Drehfenster um mindestens 90 Grad oder als Schiebefenster geöffnet werden können und dürfen keine reinen Kippfenster sein. Hotel-, Schul-, Spital- und Pflegezimmer werden hinsichtlich der Einhaltung der Grenzwerte und hinsichtlich der Bedingungen für die Ausgestaltung der Lüftungsfenster lärmempfindlichen Wohnräumen gleichgestellt.
Analoges gilt im Grundsatz auch für lärmempfindliche Betriebsräume. Auch hier ist der Lärm im offenen Fenster zu ermitteln.
Kanton Zürich: Kein offenes Fenster bei Betriebsräumen
Beurteilungspunkt
Art. 39 Abs. 1 LSV bestimmt auch, dass in der Mitte dieses offenen Fensters gemessen bzw. für diesen Punkt die Belastung berechnet werden muss. Die Fenstermitte ist als Stellvertreter für die ganze Fensterfläche zu verstehen. Wird eine Lärmschutzmassnahme für die geometrische Fenstermitte berechnet oder an diesem Ort gemessen, so ist eine Wirkung nur anrechenbar, wenn im Innern des Raumes tatsächlich eine Lärmminderung nachgewiesen werden kann.
Berechnungen für die Fenstermitte sind dann problematisch, wenn sich aufgrund einer Hinderniswirkung im Fensterbereich grosse Pegelunterschiede ergeben. Als gültige Annäherung darf bei gängigen Raumfenstern und Balkontüren für Messungen und Berechnungen als Mitte eine Höhe von 1.5 m über dem Fussboden angenommen werden.
Ist nicht die ganze Fensterfläche öffenbar, so gilt die Mitte des öffenbaren Teils. Bei Lärmberechnungen befindet sich der massgebende Empfangspunkt in der Fassadenflucht. Aspektwinkelreduktionen durch die Fensterbrüstung dürfen somit nicht berücksichtigt werden, da diese in der Praxis meist durch Reflexionen wieder kompensiert werden.
Fenster und Lüftungsfenster
Gemäss LSV muss der Nachweis erbracht werden, dass der IGW in der Mitte der Fenster der lärmempfindlichen Räume eingehalten werden kann. Fenster im Sinne der LSV sind Fenster mit Öffnungsmechanismus bzw. mit Rahmen und Flügel, auch wenn diese verschraubt sind. Lüftungsfenster (LF) sind Fenster eines lärmempfindlichen Raumes mit Lärmbelastungen ≤ IGW, welche mit einem einfach zu bedienenden Öffnungsmechanismus ausgestattet sind. Wenn andere (öffenbare) Fenster (> IGW) vorhanden sind, so muss die Fläche der LF 5% der Bodenfläche betragen. Wenn keine anderen Fenster zur Belichtung vorhanden sind, so muss die Fläche der LF in der Regel jedoch 10% der Bodenfläche umfassen. Lüftungsfenster dürfen nicht durch andere Lärmarten über den IGW belastet sein (Mehrfachlärmbelastungen).

Mit der Massnahme „Lüftungsfenster“ wird die Grundrissoptimierung nach Art. 31 LSV in der Praxis realisierbar. Eine Ausnahmebewilligung wird jedoch benötigt, wenn an einem (oder mehreren) Zweitfenster IGW-Überschreitungen verbleiben. Wichtig im Sinne eines praktizierten Lärmschutzes ist die Möglichkeit einer lärmabgewandten Lüftung unter dem Grenzwert. Fenster mit Grenzwertüberschreitungen dürfen öffenbar sein.
Mindestvoraussetzungen für Ausnahmebewilligungen
Transparente Fassadenbauteile
Festverglasungen und transparente Fassadenbauteile sind wohnhygienisch problematisch. Sie erfüllen einen wichtigen Zweck des Fensters nicht, nämlich die offene Verbindung von innen nach aussen. Sie sind somit für die Bewohner unattraktiv. Die Belüftung der Räume muss anderweitig erfolgen und eine energetisch sinnvolle Stosslüftung wird verunmöglicht. Zudem wird die Aussenreinigung schwierig und muss für die oberen Geschosse technisch aufwändig gelöst werden.
Um im Wohnungsbau solche Konstruktionen zu verhindern, wird der Fensterbegriff gemäss der Vollzugshilfe Nr. 2.0 des Cercle Bruit Schweiz zum Bauen im Lärm weit gefasst. Dies entspricht auch der bundesgerichtlichen Sichtweise, die auch nicht oder nur teilweise öffenbare Fenster als massgeblichen Ermittlungsort beurteilt (BGE 122 II 33). Fenster im Sinne der LSV sind Fenster mit Öffnungsmechanismus bzw. mit Rahmen und Flügel, auch wenn diese verschraubt sind. Festverglasungen und transparente Fassadenbauteile gelten ebenfalls als Fenster, wenn ihre Schalldämmung wesentlich (> 5 dB) von derjenigen der restlichen Fassade abweicht.
Folglich gelten nur transparente Fassadenbauteile ohne Öffnungsmechanismus und mit entsprechend hoher Schalldämmung nicht als Fenster. Aus Sicht des Lärmschutzes und des Wohnkomforts sind transparente Fassadenbauteile bei Wohnbauten weder sinnvoll noch zweckmässig, auch wenn sich damit Ausnahmebewilligungen nach Art. 31 Abs. 2 LSV vermeiden liessen.
Kantone Aargau & Zürich: Alle Festverglasungen und transparenten Fassadenbauteile gelten als Empfangspunkt
Dachflächenfenster und Oberlichter
Oberlichter (Flachdächer) und Dachflächenfenster (Schrägdächer) kommen in den Genuss einer vollständigen Abschirmung durch das Gebäude selbst. Oberlichter sind grundsätzlich Belichtungsfenster ohne Bezug zum Aussenraum. Bei Dachflächenfenstern im Schrägdach ist der verlangte Bezug zum Aussenraum vorhanden, wenn auch beschränkt. Die untere Kante solcher Fenster darf nicht höher als 1.5 m ab Fussboden sein. Höhere Fenster haben keinen Bezug zum Aussenraum und gelten analog zu Oberlichtern nur als Belichtungsfenster.
Zur Lüftung lärmempfindlicher Räume dienende Dachflächenfenster müssen nebst Lage der Unterkante weitere Anforderungen erfüllen. Auch fällt die Lärmreduktion in Abhängigkeit der Art des Dachflächenfensters und der Lage in Relation zur Strasse unterschiedlich aus. Angaben zu den Anforderungen und weitere Informationen sind hier ersichtlich:
Lüftungstüren
Eingangstüren zu Wohneinheiten sind keine Lüftungsfenster. Sitzplatztüren gelten analog zu Balkon- und Loggia-Türen als Lüftungsfenster. Aspekte der Sicherheit sind bei allen leicht zugänglichen Fenstern angemessen zu berücksichtigen.
Lärmabgewandte Lüftung durchgehender Räume
Als durchgehender Raum gelten grundsätzlich nur mehrere verbundene Raumteile – Wohnen, Essen, Küche – die sich auf derselben Etage befinden und nicht durch Türen und/oder Erschliessungsbereiche von einander getrennt werden können. Sollen durchgehende Räume, die zwischen einer lärmexponierten und einer ruhigen Gebäudeseite liegen, mit den lärmabgewandten Fenstern belüftet werden, so müssen bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Die Anforderungen und weitere Informationen sind hier ersichtlich:
Lüftung über Laubengänge
Grundsätzlich ist die Erschliessung aus Sicht des Lärmschutzes zur Quelle hin anzuordnen. Unter Umständen ist aber eine lärmabgewandte Anordnung eines Laubengangs z.B. aus architektonischen und städtebaulichen Gründen oder aufgrund der Exposition unumgänglich.
Sollen lärmempfindliche Räume auf den Laubengang belüftet werden, bestehen Anforderungen an die Ausgestaltung des Laubengangs. Die Anforderungen und weitere Informationen sind hier ersichtlich:
Praxis Kanton Zürich
Anders als beim Wohnen ist beim Arbeiten der Bezug zur Umgebung von untergeordneter Bedeutung. Im Kanton Zürich wird deshalb eine kontrollierte Belüftung für Betriebsräume als zweckmässige Lärmschutzmassnahme gewertet. Die Einhaltung der massgebenden Lärmgrenzwerte am offenen Fenster gemäss LSV ist dementsprechend dort nicht erforderlich. Eine Bewilligung ist bei Belastungen über den Immissionsgrenzwerten allerdings verbunden mit Auflagen bezüglich kontrollierter Belüftung.
Praxis Kantone Aargau und Zürich
Gestützt auf aktuelle Gerichtsentscheide gelten in den Kantonen Aargau und Zürich Festverglasungen und transparente fensterähnliche Fassadenbauteile unabhängig von ihrer Schalldämmung als Ermittlungsort. Es gilt hier die Lärmbelastung zur ermitteln und auszuweisen. Bei verbleibenden IGW-Überschreitungen sind Ausnahmen nach Art. 31 Abs. 2 LSV notwendig.